Seelsorgerin und Intensiv-Leitung aus dem „Etienne“ über Belastung durch Corona-Todesfälle
(14.12.2021) Dass Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachpersonen seit Beginn der Pandemie stark gefordert sind, ist nichts Neues. Sie sind es, die die Patienten ab der Aufnahme ins Krankenhaus in die verschiedenen Phasen der Erkrankung begleiten, ohne das Coronavirus selbst mit Medikamenten behandeln zu können. Auf der Intensivstation verlieren die Mitarbeitenden immer wieder den Kampf um das Leben der Covidpatienten. Für viele ist es besonders belastend, mit Todesfällen zurechtzukommen, die durch die Impfung hätten verhindert werden können.
Als Krankenhaus-Seelsorgerin und evangelische Pfarrerin ist Susanne Schneiders-Kuban so oft es geht im Johanna Etienne Krankenhaus unterwegs, um Angehörige und Mitarbeitende dabei zu unterstützen, mit dem Tod von Patienten umzugehen. Die Gespräche mit dem Personal finden momentan häufig zwischendurch, in einer ruhigen Ecke auf dem Flur, wegen der wenigen Zeit aber eben auch „zwischen Tür und Angel“ statt, erzählt Schneiders-Kuban. Was sie angesichts der steigenden Infektionszahlen nun häufig hört, ist, dass die Mitarbeitenden nach dem Tod durch schwere Verläufe bei ungeimpften Menschen schlichtweg ratlos zurückbleiben.
„Wie schwer es ist, ein Versterben zu verkraften, hängt auch davon ab, um was für einen Fall es sich handelt. Der Tod eines jüngeren Menschen – etwa eines Familienvaters oder einer Mutter – geht den meisten besonders nah“, erzählt die Pfarrerin. Es sei wichtig, dass die Mediziner und Pflegefachpersonen die Trauer und Betroffenheit über das Erlebte zulassen und darüber sprechen. Das bestätigt auch Andrea Kolwes, die seit über dreißig Jahren auf der Intensivstation des Krankenhauses auf der Neusser Furth arbeitet und den Bereich pflegerisch leitet. „Es macht uns fassungslos, wenn wir Menschen verlieren, die mitten im Leben stehen und mit einer Impfung eine riesengroße Chance auf einen leichten oder mittelschweren Verlauf gehabt hätten.“
Normalerweise habe ihr Team gute Strategien, bedrückende Erlebnisse auf der Intensivstation nicht mit nach Hause zu nehmen. Allerdings gelinge dies im Moment nicht mehr jedes Mal. „Wir besprechen vieles im Team und versuchen, uns gegenseitig zu unterstützen. Auch die Gesprächsangebote der Seelsorge helfen uns. Und doch kommt es nun vor, dass ich das ein oder andere zu Hause mit meinen engsten Vertrauten bespreche, um es zu verarbeiten. Dabei muss ich aufpassen, dass es nicht zu viel wird“, so die Stationsleitung.
Neben der schon bestehenden Belastung sieht Schneiders-Kuban ein noch größeres Problem, wenn es in Zukunft zur Notwendigkeit der „Triage“ kommen sollte. Triage bedeutet: Wenn freie Intensiv- und reguläre Betten sowie auch ausreichend Personal in den Krankenhäusern nicht mehr vorhanden sind, müssten Mediziner entscheiden, wer noch behandelt werden kann und wer nicht. „Ich möchte nicht, dass diese Entscheidung über Leben und Tod den Mitarbeitenden in den Kliniken zugemutet wird, weil sie seelisch sehr schwer auszuhalten ist“, warnt die Seelsorgerin. Gleichzeitig habe sie die Hoffnung, eine solche Situation bleibe den Krankenhäusern auch weiterhin erspart – unter anderem durch das Mitwirken der Bevölkerung.